09.08.2018  

{Rezension} Der Horror der frühen Medizin von Lindsey Fitzharris

                  Originaltitel: The Butchering Art. Joseph Lister's Quest to Transform the Grisly 
                                         World of Victorian Medicine 

                  Broschiert: 276 Seiten                       Verlag: Suhrkamp Verlag (9. Juli 2018) 

                  Genre: Biografie                                  ISBN: 978-3518468869

                  Preis: Br - 14,95 €, ebook - 12,99 €
Grausig sind die Anfänge der Medizin: Leichenraub, blutige Operationen wie Kirmesspektakel, Arsen, Quecksilber, Heroin als verschriebene Heilmittel. Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Unwissen der Ärzte sagenhaft, wie sie praktizieren, ein einziger Albtraum. Bis ein junger Student aus London mit seinen Entdeckungen alles verändert … Lindsey Fitzharris erzählt vom Leben dieses Mannes und vom Horror, den ein einfacher Arztbesuch damals bedeutete – schaurig, unterhaltsam, erhellend.

Als Joseph Lister 1844 sein Studium in London beginnt, ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung desaströs: Die Krankenhäuser sind überfüllt und verseucht. Um aufgenommen zu werden, müssen Patienten genug Geld für die eigene Beerdigung mitbringen. In den Operationssälen arbeiten Chirurgen in Straßenklamotten vor schaulustigem Publikum. Warum fast alle Patienten sterben, wie sich Krankheiten ausbreiten, darüber herrscht nicht die geringste Einigkeit, nur hanebüchene Theorien. Joseph Lister wird dann Chirurg, er will ganz praktisch helfen. Und von Neugier und hellem Verstand geleitet, entwickelt er eine Methode, die das Sterben vielleicht beenden kann …

Hunderte von Männern strömten am 21. Dezember 1846 in den Operationssaal des University College Hospital, wo sich der berühmte Chirurg Londons anschickte, sein Publikum mit einer Oberschenkelamputation zu fesseln.

Grausig und unhygienisch ist der Operationssaal zu den Zeiten, als der junge Lister seinem Studium als Chirurg nachgeht. Die Krankenhäuser sind verseucht von Krankheit und Tod, nur wenige Patienten überleben einen Aufenthalt dort. Noch weiß der Student nicht, dass seine Entdeckungen vielen das Leben retten wird und den Beruf des Chirurgen von Grund auf ändern wird. 

Ein personaler Erzähler bringt dem Leser das Leben Joseph Listers näher und holt dabei auch mal weiter aus. Auch andere medizinisch wichtige Errungenschaften der damaligen Zeit werden aufgegriffen. Die Autorin hat viele verschiedene Informationen eingeholt und schreibt in flüssiger und charmanter Art über die eher grausigen Zeiten. Dabei sind komplexere Themen gut zu verstehen und wecken Interesse. 
Das Leben des eher unbekannten Chirurgen Joseph Lister steckt voller Rückschlägen und Enttäuschungen. Oftmals muss er mit beruflichen Absagen kämpfen und mit der Sturheit der alteingesessenen Chirurgen Großbritanniens, die immer wieder Skepsis an seinen Theorien hegen. Durch seine Beharrlichkeit ließ er sich jedoch nie unterkriegen, ging seinen Weg und änderte mit seinen Erkenntnissen nicht nur seinen Beruf, sondern auch die Sterblichkeitsrate in Krankenhäusern des 19. Jahrhunderts zum Besseren.

Lindsey Fitzharris hat eine interessante, leichte und selbst für Laien verständliche medizinische Biografie über einen eher unbekannten Chirurgen im 19. Jahrhundert geschrieben. Besonders die doch eher nebensächlichen kleinen Fakten haben mir gut gefallen.
Lindsey Fitzharris promovierte in Oxford in Medizingeschichte. Ihre YouTube-Serie Under the Knife über Wissenswertes und Gruseliges aus der Welt der Chirurgie verhalf Fitzharris zu größerer Bekanntheit. Sie schreibt regelmäßig für The Guardian, The Huffington Post, The Lancet und New Scientist.
©Suhrkamp Verlag

Ein riesengroßes Dankeschön an 
für das Rezensionsexemplar!

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